30 Jahre Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland
ÄTHIOPISCH-ORTHODOXE KIRCHE IN DEUTSCHLAND

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Ansprache zu Jubiläum der Äthiopisch Orthodoxen Gemeinde
16. Juni 2013
Manfred Kock, Präses i. R.

 
„Gelobt sei der Name des Herrn von nun an bis in Ewigkeit! Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang sei gelobt der Name des Herrn“.
Dieser Vers aus dem 113. Psalm steht über der Einladung zum Jubiläum. Er drückt die Freude der Äthiopischen Gemeinde aus, die hier in dieser Kirche eine Heimat gefunden hat.  
1. So preise ich mit Ihnen den Herrn
und danke für die ehrwürdige Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in unserer Stadt – in unserem Land.
In dieser Kirche hier, die einmal die Lutherkapelle war, ist die Botschaft Jesu Christi verkündigt worden. Sie hat Freude und Lobpreis und Dankbarkeit ausgelöst für das Glück, das Menschen erfahren durften. Sie hat getröstet in Zeiten von Sehnsucht und Heimweh, von Trauer und Sterben.
Die Botschaft stärkt bis heute. Sie hilft, dass Menschen Barmherzigkeit üben und sich für Gerechtigkeit einsetzen. Auch wenn die Wirkung der Christusbotschaft manchmal schwach zu sein scheint, ist sie immer wieder die Kraftquelle und Mitte des Glaubens. Das wird auch künftig so sein.
2. Wie es war
Es gab seit dem Zweiten Weltkrieg immer wieder Flüchtlingswellen – aus Eritrea wegen der Bürgerkriege, - aus Äthiopien nach dem Sturz Heile Selassies; - nach dem Sturz des Mengistu-Regimes.
Die gegensätzlichen Fluchtgründe führten immer wieder zu Spannungen unter denen die hier nach Deutschland gekommen waren - Spannung bis zum Zerreißen. Schon die Einweihung der Kirche fand in einer atemberaubenden Auseinandersetzung statt, Die dabei waren, erinnern sich an die Sprechchöre und Plakate. Etliche fürchteten, die Gemeinde könnte ein Instrument des kommunistischen Regimes in Addis Abeba werden.
Dr. Merawis Verdienst war es, dass die Kirche sich nie den jeweiligen Strömungen angepasst hat. Die wichtigste Linie war die Verbindung zur Botschaft Jesu Christi und zur Mutterkirche. Verlockungen gab es wohl, Kirche sollte sich einer Exilkirche anschließen. Aber: Wer auch immer Patriarch ist - die Verbindung zu ihm und zur Synode in der Heimat wurde und wird gewahrt. Uns den Partnern hat das die Zusammenarbeit erleichtert.
3. Ein Ökumenisches Geschenk
Die ehrwürdige alte afrikanische Kirche ist mit den Menschen in unser Land gekommen. Das hilft uns, unser eigenes Kirchenbild nicht zum endgültigen Kirchenbild zu machen. Wir haben durch diese Begegnung etwas Entscheidendes gelernt: Jede Kirche ist für sich allein zu arm. Sie braucht den geistlichen Reichtum der anderen.
Bei der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche erleben wir zwei wichtige Schwerpunkte: Die Verbindung zum Alten Bund und die Wertschätzung der Heilige Taufe.
Beides haben auch wir in den westlichen Kirchen. Aber die Betonung dieser Schwerpunkte in der Äthiopischen Kirche hilft uns zu tieferem Verstehen und zur Bestärkung.
· Die Verbundenheit zum Bund Gottes mit seinem Volk Israel erinnert daran, wie wir westlichen Kirchen mit einer dunklen Tradition belastet sind.  Die Äthiopier erinnern sich an die Königin von Saba und ihre Begegnung mit dem König Salomo. Die Verehrung des Tabots als der Nachbildung der Heiligen Lade, welche die Gebotstafeln enthielt, ist in jeder äthiopischen Kirche gegenwärtig. Der Bund Gottes mit Israel ist ungekündigt.

· Die Heilige Taufe - Der erste Ausländer, der sich taufen ließ, war der Kämmerer aus dem Morgenland. Auf der Heimreise vom Tempelfest in Jerusalem saß auf seinem Wagen, las aus der Rolle des Propheten Jesaja uns Philippus, ein Apostel Jesu Christi deutete die Worte mit dem Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu. Uns der Kämmerer ließ sich taufen. Und in Erinnerung daran und an die Taufe Jesu feiert die Äthiopische Kirche jährlich das Timkat-fest. Eindrücklich erinnern sich die Glaubenden an ihre Taufe, die ihr Leben bestimmt. Auch uns wichtig  Evangelischen des Westens ist die Taufe wichtig. Von Martin Luther ist eine Anekdote überliefert, er habe, als ihm Glaubenszweifel überkamen, mit Kreide die lateinischen Worte „Baptizatus sum“ – ich bin getauft -auf einen Tisch geschrieben. Aber im Lebensalltag kommt uns die Erinnerung an unsere Taufe oft abhanden. Das Geschenk der Taufe ist uns durch  die Äthiopische Kirche wieder neu bewusst geworden. .
Kardinal Walter Kasper hat einmal gesagt: „Die Krise der Ökumene ist nicht etwa ein Zeichen ihres Misserfolges, sondern im Gegenteil ein Ergebnis ihres überwältigenden Erfolges. In dem Maße nämlich, als wir einander näher gekommen sind, spüren wir umso schmerzhafter, ja unerträglicher das, was uns trennt.“[1]
 
Die ökumenische Bewegung hat sich an der Vision der wachsenden Einheit der Kirchen entzündet. Der Gebetswunsch Jesu Christi: „Heilige sie in der Wahrheit ... damit sie alle eins seien“ (Joh 17, 17.21) setzt in den Kirchen immer wieder Impulse, die Gemeinsamkeit zu stärken, damit verwirklicht wird, was sie glauben: die eine heilige, allgemeine, apostolische Kirche.  Es gilt, die Trennung der Kirche Jesu Christi in sich gegenseitig ausschließende Konfessionen zu überwinden; die bestehenden kirchlichen Verhältnisse müssen von dieser Zukunft her gestaltet werden.
Die Kirche als Geschöpf des göttlichen Wortes lässt sich nicht mit einer der vorhandenen Kirchen oder mit deren Gesamtheit gleichsetzen. Die Kirche ist Gegenstand des Glaubens und sichtbare Gemeinschaft zugleich; eine Wirklichkeit, die in der Vielfalt der Kirchen erfahren werden kann. In ih-rer geschichtlich gewachsenen Unterschiedlichkeit kommt die „vielfältige Gnade Gottes" (1. Petrus 4, 10) zum Ausdruck.
„Wir glauben die eine Kirche“, bekennen römisch-katholische, die orthodoxen und evangelischen Kirchen. Sie alle glauben, dass sich in der Kirche, zu der sie gehören, die Gemeinde Jesu Christi verwirklicht. Sie wissen aber auch, dass die einzelne Kirche zugleich über sich hinausweist. „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4, 4-6) sind die Kennzeichen ihrer Einheit. Der Glaube bekennt die Einheit der Kirche als etwas Gegebenes, Geschenktes. Die Einigung der Kirchen, hat der Schweizer Theologe Karl Barth gesagt, kann „nicht gemacht werden, sondern nur im Gehorsam gegen die in Jesus Christus schon vollzogene Einheit der Kirche gefunden und anerkannt werden“[2].
 
Das Wesen der Kirche ist unabhängig von ihrer jeweiligen Gestalt und nicht mit soziologischen und öko­no­mi­schen Kategorien zu beschreiben. Biblische Bilder wie Leib Christi oder wanderndes Gottesvolk oder Ge­mein­schaft der Heiligen als Beschreibung von Kirche weisen auf eine überinstitutionelle Wirk­lich­keit. Die eine Kirche existiert im Plural
Die Vielfalt ist nicht nur eine Folge menschlicher Sünde, sie ist auch ein Kennzeichen göttlichen Reichtums. Sie ist ein Ausdruck der verschiedenen Begabungen, mit denen die Menschen ausgestattet sind. Auch in der Wahrnehmung der Gottesbotschaft und der Weise, mit ihr das Leben zu gestalten, sind die Menschen unterschiedlich; dem entsprechend brauchen sie wohl auch verschiedene kirchliche Lebensorte. Zur Beschreibung dessen, was die Kirche ist, gehört beides: Einheit und Vielfalt. Schon von der Zeit des Neuen Testamentes an hat die Kirche im Plural existiert und kann nach evangelischem Verständnis nur im Plural existieren oder, mit einer wunderbaren Formulierung von Fulbert Steffensky: „Keine der Einzel-kirchen ist alles ... Alle sind sie als Einzelkirchen zu eng, zu bescheiden und zu wenig. Am engsten und darum am unerträglichsten sind sie dort, wo sie alles und der anderen nicht bedürftig zu sein glauben. Es ist eine Erleichterung, nicht alles sein zu müssen... "[3].
Die christlichen Konfessionen verbindet mehr, als was sie trennt. Sie stimmen darin überein, dass die Kirche Jesu Christi mehr ist als die Summe einzelner Kirchen[4], und sie wissen, dass es zur Einheit konstitutive Elemente gibt: Gemeinsamkeit im apostolischen Glauben mit der daraus folgenden Verkündigung und dem entsprechenden Dienst in der Welt; die gegenseitige Anerkennung der Taufe, die zwischen uns inzwischen unbestritten ist.
 
Der ökumenische Prozess wird lebendig bleiben, wenn sich in Gemeinden über die Konfessionsgrenzen hinweg Menschen zusammentun und gemeinsam die Heilige Schrift studieren. Als die Schwierigkeiten um die Interpretation der Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre aufbrachen, war ein Fazit, das aus den Differenzen gezogen wurde: Wir müssen weiter zusammen die Bibel lesen und erkennen, was sie für unsere Zeit sagen will. das gemeinsame Einstehen für Frieden und Gerechtigkeit. Eine so breite gemeinsame Basis in der Friedensarbeit hat es in der gemeinsamen Geschichte noch nicht gegeben.
 
Heute: das gemeinsame Eintreten für die Ethik des Lebensschutzes vor allem am Beginn und am Ende des Lebens.
Die gemeinsame theologische Arbeit von Menschen der unterschiedlichen Konfessionen hat Früchte getragen.
Auf diesem Weg sollte sich keine Kirche zu wichtig nehmen. Auch die Kirchen sind Teile der vergänglichen Welt. Das Ziel ist Gottes Reich. Katholizität und Apostolizität der einen Kirche eröffnen den Horizont immer wieder weit, so dass auch tiefe Gräben ihre Schrecken verlieren. Darum können die Kirchen mit bleibenden Differenzen leben, vorausgesetzt sie bewahren sich einen respektvollen Umgang miteinander.   
Die Kraft für weitere ökumenische Schritte schöpfen die Kirchen aus dem Gebet. Nicht nur in gemeinsamen ökumenischen Wortgottesdiensten, sondern in allen Gottesdiensten der Konfessionen ist das Gebet um die Einheit und für die Menschen in den jeweils anderen Kirchen unerlässlich. Von der einen Kirche Christi her zu denken heißt im Blick auf das evangelisch-katholische Verhältnis: Wir Evangelischen haben allen Grund, uns zu freuen, wenn es der Äthiop. Kirche gut geht, und traurig zu sein, wenn es ihr - selbstverschuldet oder ohne eigenes Zutun - schlecht geht. Denn wir sind zusammen stark, aber wir sind auch zusammen schwach.
 
4. Dank und Segenswunsch
Es ist gut, wenn das Gebet für diese Kirche mit dem Dank beginnt. Dank bewahrt dem Gebet die Kraft. Ohne den Dank - nur als Bitte - verkommt das Gebet sehr leicht zur Quengelei. Die Erlebnisse fehlender Erfüllung machen ungeduldig und im Gebet faul. Der Dank aber ist die Quelle des Gebetes.
Eine Kultur des Dankens steht auch am Beginn jeder Erneuerung der Kirche. Denn das Dankgebet öffnet die Augen für die Spuren der Gottesgeschenke, die wir im Leben erhalten haben. Und wer wollte nicht diese Spuren im Leben der äthiopischen Gemeinde sehen? Denn auch das Gebäude ist inzwischen ja das Eigentum der äth. Gemeinde.
Das Gebet behält nur dann seine Kraft, wenn es sich von Unerfülltem hinwendet zu dem, was Geschenk ist. Darum geht es: Einen Blick bekommen und behalten, auch für das Unscheinbare, für das, was im Alltag oft als selbstverständlich genommen ist, von dem wir aber alle leben.
Vielen Menschen ist Dank zu sagen für die Treue und den Einsatz Ihres Priesters Dr. Merawi Tebege – und allen, die hier gewirkt haben. Sie haben geholfen, dass diese Kirche Heimat und Orientierung gewesen ist für zahlreiche Menschen. Zu danken gilt auch allen, die heute mitarbeiten und ihre Gaben und Fähigkeiten einbringen.
Gottes Segen


[1] Walter Kasper, Gegenwärtige ökumenische Eiszeit und künftige Perspektiven der Ökumene, Vortrag anlässlich seiner Ehrenpromotion durch die Theologisch-Philosophische Hochschule der Pallottiner am 10.5.03 in Vallendar.
[2] K. Barth, Die Kirche und die Kirchen, ThExh 27 (1935), Seite 16.
[3] F. Steffensky, Das Haus, das die Träume verwaltet. Würzburg 1988, Seite 118.
[4] So auch in Dominus Iesus, Ziffer 17.

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